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70. Kapitel

Wo nur Macht als das einzig Entscheidende in jeder Zweifelsfrage anerkannt wird  Das "Tier" ist bei seiner Verwandlung zum "Menschen" also zunächst nur in ein Stadium gekommen, wo es in Gestalt des Erdenmenschen imstande ist, das fünfte Gebot zu übertreten. Diese Übertretung existiert bei den "Tieren" nicht. Das Allgemeingültige ist ja bei diesen Wesen, dass sie nur töten, weil es eine Lebensbedingung für sie ist. Würde der Tiger nicht töten, müsste er ja Hungers sterben. Aber auf solche Weise seinen eigenen Tod zu bewirken, ist ja auch Mord. Und für Wesen dieser Art könnte das fünfte Gebot ja nur eine Anweisung zum Selbstmord sein, und es ist also hier als logische Vorschrift unbrauchbar. Das fünfte Gebot ist also als Vorschrift für Wesen aufgestellt, die morden und töten, ohne dass dies eine lebensbedingende Notwendigkeit ist. Es ist die erste mahnende Stimme vom äußersten Vorposten der Welterlösung. Es ist das in der "Hölle" beginnende Eindringen der blendenden Strahlenglorie einer neuen Welt. "Du sollst nicht töten", das ist das göttliche Zauberwort, das "Teufel" in "Götter" verwandelt. – Und der Erdenmensch findet dadurch den offenen Weg zum "Himmel".
      Die "Flüchtlinge" "Adam" und "Eva" hören also hier in Gestalt des fünften Gebotes eine ganz neue Fanfare durch die Welt tönen. "Du sollst nicht töten" ist ein neues Gebot, das ein vollständiger Gegensatz dazu ist, was die "Flüchtlinge" früher gewohnt waren. In den zahlreichen primitiven Stadien der "ausgetriebenen" Wesen als "Naturmenschen" ist das Töten noch eine moralische Handlung, ist noch der Weg zur Heldenglorie, ist noch höchste religiöse Auslösung. Diese Wesen sind dem "Tierreich" noch so nahe, dass dessen Gesetze und gewohnheitsmäßigen Traditionen, d.h. das Recht des Stärkeren, ein versteinerter tragender Lebensinstinkt ist, ohne dessen Auflösung die Weiterführung des "Tieres" in der Entwicklung oder Verwandlung zum "Menschen" eine Unmöglichkeit wäre. Die Auflösung dieses tausendjährigen, ja millionenjährigen Instinktes bildet die ganze Grundlage für alle "menschliche" Mentalität, bildet die Basis für alles Aneignen von "Intelligenz" und "Gefühl". Da das tötende Prinzip zur Lebensbedingung gemacht wurde und die Wesen in seiner Ausübung so tüchtig wurden und seine Verwirklichung als Idealismus, Moral und Recht ansahen, wurde der unnatürliche Tod in Wirklichkeit eine überall gegenwärtige Lebensgefahr, die das Wesen zwang, immer auf dem Posten zu sein, die es zwang, seine Sinne auf das äußerste anzuspannen, die es zwang, dieser Lebensgefahr überlegen zu werden.
      Da die Gefahr überall lauerte, im Dickicht des Waldes wie in der offenen Flur, im Schatten des Tales und auf dem Gipfel des Berges, in der lärmenden Brandung wie am kleinen Bach, in der Hütte des Wesens wie im Lager des Feindes, kurz, überall, wo ein erdenmenschlicher Fuß treten und eine erdenmenschliche Hand eine Mordwaffe führen konnte, wurde das Wesen unwiderstehlich zum Training einer dauernden Wachsamkeit gezwungen, zu einer ununterbrochenen Anspannung seiner äußersten Gegenmaßnahmen: entschlossene Geistesgegenwart, List und Gewandtheit. Es wurde dazu angetrieben, eine immer bessere Notwehr zu entfalten. Die einzige Basis für Glück war Überwindung, war Erzwingung von Sieg, Sieg und wieder Sieg über alle anderen Mitwesen. Nur wenn man diese in Schach zu halten vermochte, verblieb das Glück ungestört. Und das beste, einfachste und primitivste Mittel bei diesem Vordrängeln zum Glück, das daher auch keine besonders entwickelte, intelligenzmäßige Funktionen beanspruchte, war natürlich recht und schlecht, so weit wie möglich die konkurrierenden Mitwesen, die Mitbewerber ums Glück und um die Überlegenheit einfach auszurotten. Nur der, der seine Mitwesen ausrotten, binden und fesseln konnte, konnte zum "Hans im Glück" werden. Nur er war in Wirklichkeit ein physisch freier Mann, dem alle Bezwungenen als Sklaven und Leibeigene dienen mussten.
      Da der einzige Weg aus der Leibeigenschaft, aus der Sklaverei und Unterdrückung, weg von der Verfolgung, von Entwürdigung und Tod ausschließlich die Aneignung von Machtüberlegenheit war, war es nicht so merkwürdig, dass dieser Weg zum alles überwiegenden Idealismus, zur Götterverehrung, zur Religion, zum höchsten Gesetzesgebot der "Cherubim" und zur Anweisung des Weges zum "Himmel", nach "Walhalla" wurde. Es ist klar, dass eine solche Religiosität unvermeidlich die Opferung einiger der Unterdrückten, der Sklaven und Knechte zur Folge haben musste. Man musste der "Gottheit" etwas von der eroberten Beute abgeben. Wie sollte man sonst seine Erkenntlichkeit zeigen? – Und der wahre, höchste religiöse Kult der damaligen Zeit wurde zu einem blutigen Festrausch in Mord, Totschlag und Marterung der Bezwungenen zur Ehre einer Gottheit, von der man sich natürlich nur vorstellen konnte, dass sie Sympathie für die siegreichen Triumphatoren und größtmögliche Verachtung und Antipathie sowie unstillbaren Blutdurst gegenüber den Bezwungenen oder Unterlegenen, den "Schwächlingen" in physischer Machtentfaltung und Kampfleistung habe. Man war ja gezwungen, sich in Gedanken vorzustellen, dass die Gottheit in solchen Idealen und moralischen Auffassungen kulminiere, von denen man selbst beseelt war und die man nur als die höchsten aufzufassen imstande war. Wie sollte man die Gottheit denn sonst auffassen? – Wenn man sie sich anders dächte, dann würde man sie ja mit den unterdrückten Sklaven und Knechten, mit den "Schwächlingen" oder weniger Kampftüchtigen gleichstellen, wodurch man sich ja selbst unweigerlich der Schande preisgäbe, wodurch einem die strahlende "Heldenglorie" entrissen würde, wodurch man alle Anerkennung und Bewunderung für seine eigene große Kampfesüberlegenheit, seine Fähigkeit zu morden und totzuschlagen verlieren könnte.
      Aber eine Menschheit, die noch keine wirkliche Gerechtigkeit kennt, noch keinen Respekt vor dem wirklichen Recht der Mitwesen zum Leben hat und deren höchste Bewunderung und Anerkennung in jeder Zweifelsfrage nur die Macht als das einzig Entscheidende gelten lässt, zwingt ja jedes einzelne ihrer Mitglieder dazu, sich nicht auf Ehrlichkeit, Mitleid, Verstehen oder Verzeihen, auf Selbstaufopferung oder Uneigennützigkeit zu konzentrieren, denn diese Eigenschaften können ja nur "Schwäche" ausdrücken, können nur als "Niederlage", "Rückzug" oder "feige Unterwerfung" oder "Aufgeben des Kampfes" vor dem Feinde bezeichnet werden, zwingt sie also in eine Atmosphäre oder Zone, wo das völlige Nicht-Verzeihen, wo Unterdrückung oder Tod des Gegners der vermeintlich erhabenste Weg zur Gunst der Gottheit ist. Und es steht fest, dass man in einer solchen Atmosphäre keinerlei kosmisches Wissen haben kann. Dort finden Gerechtigkeit, Uneigennützigkeit und Liebe absolut kein Interesse. Dort ist das alles beherrschende Problem: Training in der Entfaltung des tötenden Prinzips. Dort sind wir im Reiche des "Sündenfalls", des "Todes" und der "Finsternis". Und es ist eine Selbstverständlichkeit, dass ein solches Reich, in dem man noch nichts von Gerechtigkeit, Aufopferung und Liebe als rechtmäßige Lebensfaktoren kennt, sondern vielmehr mit dem alles erdrückenden Stärke- und Mordidealismus diese Faktoren geradezu auszurotten und zu bekämpfen versucht, identisch mit der "Hölle" werden musste.
      Aber das Leben, das Weltall sind auf ewige, unerschütterliche Gesetze gegründet, die kulminierende Liebe sind. Und die Lebewesen können aus diesem Grunde nicht in der "Hölle" bleiben, können nicht dauernd "Kobolde" und "Teufel" verbleiben, können nicht dauernd die Karikaturen des Lebenssinnes sein. Das göttliche Wort: "es werde Licht" hallt immer noch durch die Sphären. Und "Gottes Geist schwebt" immer noch "über den Wassern". Und siehe, durch die Moräste und Folterkammern der "Hölle" offenbart sich die strahlende Macht der Liebe, und der alles beherrschende Vater hebt seinen ewigen Sohn hinauf zu seinem eigenen Wesen auf die unermesslich leuchtenden Zinnen des Lebens.


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