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59. Kapitel

Die Bibel ist veraltet. Die Frage "was ist Wahrheit?" entsteht  Wir haben nun im Voranstehenden gesehen, wie sich das Grundgesetz des Tierreiches: "jeder ist sich selbst am nächsten" sogar in der Mentalität des Erdenmenschen noch geltend macht, wobei es das "tötende Prinzip" geradezu zu einer Religion und Götterverehrung gemacht hat, in der das Himmelreich eine "Walhalla" und die Belohnung geschlechtliche Befriedigung durch "Walküren" ist.
      Man würde gegen die Tatsachen, gegen die lebendigen Fakten angehen, man würde die Welt betrügen, wenn man verleugnete, dass der Erdenmensch von den Tieren abstammt, dass er sich aus der Lebensweise und den Gesetzen dieser Wesen entwickelt hat und dass er ja noch mit einem großen Teil seines Wesens die Mentalität dieser seiner jüngeren Stammesgenossen, ihre Instinkte, Gewohnheiten und Neigungen offenbart. In diesem Falle wäre man ja Anhänger einer Auffassung, die absolut nicht in der Wirklichkeit wurzelt und nur eine nackte Behauptung sein kann, während das Verständnis und die Erkenntnis von der tierischen Abstammung auf einer Reihe unerschütterlicher Tatsachen ruht, die allmählich umso größer wird, je intensiver und eingehender die Erforschung der Probleme vor sich geht. Eine Verleugnung der tierischen Abstammung des Menschen ist somit eine von Menschen aufgestellte Behauptung, Fantasie, Illusion und Aberglaube und wird es immer bleiben, während die Erkenntnis dieser Abstammung Wissenschaft ist, d.h. die Sprache des Lebens, die Demonstration des Lebens selbst und daher die unmittelbare "Sprache Gottes" selbst. Aber die unmittelbare "Sprache Gottes" muss doch das absolut wahre "Wort Gottes" sein und damit die einzige berechtigte, richtige und würdige Religion für ein tiefdenkendes und hochintellektuelles Wesen.
      Und es hat sich ja auch gezeigt, dass alle vergangenen Auffassungen, Glaubensbekenntnisse und Formen von Gottesverehrung allmählich neuen Auffassungen, neuen Bekenntnissen und neuen Verhältnissen derselben Art weichen mussten, die jedoch von geringerer tötender Natur als die vorhergehenden waren. Und hält diese Veränderung der Mentalität nicht immer noch an? – Erleben wir diese Veränderung nicht, wenn wir feststellen, dass immer weniger Menschen sich etwas daraus machen, in die Kirche zu gehen, sich noch etwas aus dem sogenannten "Segen" machen, zum Abendmahl gehen, ihre Kinder taufen oder konfirmieren lassen usw.?
      Handelt es sich nicht um dieselbe Degeneration oder Verwitterung der alten Formen, wenn die Männer der Kirche verschiedene Anschauungen darüber haben, worüber es absolut nur eine geben sollte, nämlich über die Wahrheit? Die Wahrheit ist ja die Wahrheit, und kann absolut nichts anderes werden als Wahrheit. Wenn es verschiedene Meinungen über sie gibt, zeigt dies nur, dass die Urheber dieser Meinungen nicht alle zur Erkenntnis der wirklichen Wahrheit gekommen sind, denn wenn sie dazu gekommen wären, dann wären sie ja alle derselben Meinung und somit einig. Ist es nicht dieselbe Meinungsverschiedenheit, die sich zwischen den verschiedenen religiösen Sekten geltend macht? – Berufen sie sich nicht alle in besonderem Maße darauf, dass gerade sie die absolute Erkenntnis der unfehlbaren Wahrheit besitzen, obwohl ihre Erkenntnisse höchst verschieden sind und stark voneinander abweichen? – Schafft dies nicht Verwirrung, Krieg und Unduldsamkeit? –
      Wenn aber die staatsautorisierten Vertreter der Wahrheit: die Geistlichen wie auch die Mitglieder der religiösen Sekten und Glaubensbewegungen und alles, was sonst noch zum Begriff "Cherubim" gehört, miteinander darüber streiten, was der wirkliche Sinn des Lebens sei, sieht man dann nicht deutlich, dass "Adam" und "Eva" auf ihrer Flucht vom "Baum des Lebens" während ihrer "Austreibung" aus dem "Paradiesgarten" zu einer Stelle, zu einer geistigen Zone gekommen sind, wo sie in größter Verwirrung, ja vielleicht sogar in gewissen Fällen ganz unbewusst, die große Frage zum Himmel rufen: "Was ist Wahrheit?"
      Sie befinden sich also an einer Stelle, wo die alten Traditionen, die alten Formen von Sitten und Gebräuchen, die alte Moral nicht mehr in Übereinstimmung mit ihrer Mentalität sind. Was aber ist die Folge davon? – Kann man nicht hier den "Sündenfall" in einer ganz neuen Beleuchtung sehen? – Ist es nicht so, dass sich vieles von dem, was früher als moralisch ausgerufen wurde, nun nur als Illusion erweist? Und vieles, was früher geradezu strenge moralische Verpflichtungen, Gebote und Gesetze war, heute bei ihrer Erfüllung untröstliche Seelennot, Abnormität und Geisteskrankheit schafft? –
      Was hält man von einer Moral, die besagt: "wer sich von seinem Weibe scheidet, es sei denn, sie hätte die Ehe gebrochen, der bricht die Ehe"? – Wie passt diese Moral mit einer Ehe zusammen, in welcher der Mann dauernd betrunken ist, Frau und Kinder tyrannisiert, aushungert und prügelt? – Ist gemäß dieser Moral nicht hier eine rettende Scheidung ein "Sündenfall", eine unmoralische Handlung? Und wenn sich ein Mann mit einer solchen geschiedenen Frau verheiratet und sich ihrer und ihrer Kinder liebevoll annimmt, wird er nicht von dieser "Moral" als "unmoralisch" gestempelt? – Heißt es nicht ausdrücklich in dieser Moral: "und wer eine Geschiedene freit, der bricht die Ehe"? – Dass es heute Menschen gibt, die hier nicht mit dem Wort der Bibel sympathisieren und es dann auch nicht einhalten, entkräftet ja nicht, dass eine solche Moral existiert oder existiert hat, sondern macht vielmehr die Verwandlung der Moralbegriffe zur Tatsache.
      Verhält es sich nicht ebenso mit der Todesstrafe der Mosesgesetze? – Ist diese nicht für die Menschen von heute höchst veraltet? – Oder was hält man von der folgenden Erlaubnis der Sklaverei im Mosesgesetz und von den Vorschriften darüber?
      "Wenn du einen hebräischen Sklaven kaufst, soll er sechs Jahre Sklave bleiben; im siebten Jahr soll er ohne Entgelt als freier Mann entlassen werden.
      Ist er allein gekommen, so soll er allein gehen. War er verheiratet, soll seine Frau mitgehen.
      Hat ihm sein Herr eine Frau gegeben und hat sie ihm Söhne oder Töchter geboren, dann gehören Frau und Kinder ihrem Herrn, und er muss allein gehen." –
      Wenn nun aber der Sklave seine Frau und seine Kinder liebt und sehr ungern von diesen getrennt werden will, so ordnet das Mosesgesetz dies auf folgende Weise, indem es sagt: "Da soll ihn sein Herr vor Gott bringen, er soll ihn an die Tür oder an den Torpfosten halten und ihm mit einem Pfriemen durchbohren; dann bleibt er für immer sein Sklave." –
      Der Sklave muss also seine Ehe und seine Liebe zu seinen Kindern mit lebenslänglicher Sklaverei bezahlen. – Man bedenke, welch ein Vorteil dies für den Sklavenbesitzer war. Kraft dieses Gesetzes kann er es ja leicht vermeiden, den meisten der jungen Sklaven die Freiheit zurückzugeben, wie das Gesetz nach den sechs Jahren Gefangenschaft gebietet; er braucht ja nur diese jungen Männer mit den jungen Sklavinnen Umgang haben zu lassen. Ist es nicht so, dass die Natur dann gewiss ihr Recht fordert und sie sich verlieben und für die Ehe mit den unfreien Mädchen empfänglich werden, wodurch der Sklavenbesitzer sie seelisch an sich binden und sie lebenslänglich zu seinem Privateigentum machen kann? –
      Es kann gewiss nicht geleugnet werden, dass die entwickeltste Moral unserer Tage etwas anders ist und dass wir in der fortgeschrittenen, modernen Gesellschaft Gesetze haben, die diesen uralten Vorschriften vollständig entgegengesetzt sind.
      Es zeigt sich also hier, dass die Bibel selbst in gewissen Fällen veraltet ist, dass ihre Vorschriften im täglichen praktischen Leben unhaltbar sind, dass sie von einer der damaligen Mentalität an Humanität und Gefühl weit überlegenen Erkenntnisfähigkeit als barbarisch und grausam verworfen wird. Wenn sich aber die Moral solcher Art verwandelt und wenn diese Verwandlung nicht im Sinne des Tierreiches ist, sondern den tierischen Prinzipien und Gesetzen zuwiderläuft, das Wesen immer mehr außerstande setzt, das "tötende Prinzip" auszuüben, das Wesen human und liebevoll macht, ist das dann nicht des Lebens eigene Demonstration von Beweisen, dass "Adams" und "Evas" Schöpfung immer noch vor sich geht und dass die "Erde" oder das Material für diese Schöpfung das "Tier" ist? – Haben wir nicht deutlich gesehen, dass das Dasein der gesamten Erdenmenschheit, die Verwandlung ihrer Religionen, ihre wachsende Humanität, Sozialreformen, Gesundheits- und Rechtswesen, Abschaffung der Todesstrafe usw. trotz Krieg und Unfrieden eine Wanderung ist, die von den Gesetzen und Prinzipien der tierischen Tendenzen fortführt? Und sahen wir nicht, dass diese Menschheit in großem Ausmaß von ihrer ursprünglichen religiösen Grundlage ganz abgekommen ist, in eine große Verwirrung hineingekommen ist, geistig heimatlos geworden ist, weder richtig Tier noch richtig Mensch ist und diesen ihren Nacktheitszustand zum Himmel schreit. Über Kontinenten und Meeren brütet das Rätsel der Sphinx. Durch Pilatus ruft die Menschheit zu Gott: "Was ist Wahrheit?" –


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