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48. Kapitel

Wenn "der Samen des Weibes" "den Kopf der Schlange" zertritt  "Die Austreibung aus dem Paradies" ist also ein Verwandlungsprozess, der in einem unermesslichen Zeitraum vor sich geht. Er findet also nur ganz langsam statt. Das Tragende dieser "Austreibung" oder dieses Verwandlungsprozesses ist das Begehren danach, die "verbotenen Früchte" zu genießen, ist die Sehnsucht nach Veränderung, die Sehnsucht nach neuen Erlebnissen, die Sehnsucht nach Erkenntnis und Wissen.
      Beim primitiven Tier, bei dem noch "gesetzestreuen" Paradiesbewohner ist dieses ganze Begehren natürlich überhaupt nicht vorhanden, sondern beginnt allmählich seine erste, zarteste Form als schwacher Bewusstseinsimpuls, der nach und nach zur sogenannten "Neugierde" wird. Diese entwickelt sich immer mehr. Und von ihrem ersten, schwachen unspürbaren Anfang entwickelte sie sich weiter bis zum grundlegenden Wissensdurst, der später das Tier in Gestalt des Erdenmenschen dahin führte, den großen Ozeanen zu trotzen, der ihn zwang, die Elemente zu überwinden, der ihn zwang, sich die Entfernungen untertan zu machen, der ihn auf die Reise über den ganzen Erdball zwang, über Land und Meer und durch die Luft, der ihn auf die Entdeckungsreise zu sowohl den blauweißen Eisfeldern der Pole wie auch in die glühenden Wüsten Afrikas schickte. Er hat ihn gezwungen, seine Fahne auf der Achse der Pole und am Äquator aufzupflanzen, die zugefrorenen Meere der Pole sowie die dichtesten Dschungel und Urwälder der Tropenzonen zu durchforschen, hat ihn sowohl hinauf zum ewigen Schnee der Bergzinnen als auch hinab in die tiefsten Schluchten und Abgründe der Erde geführt.
      Aber nicht genug damit. Hinein in die Organismen der Lebewesen bahnt der wissensdurstige Erdenmensch seinen Weg. Er hat Herz, Lungen und Leber seiner eigenen Mitwesen zerschnitten. Er hatte selbst die kleinsten Unwesentlichkeiten unter dem Mikroskop, während er gleichzeitig Riesenteleskope in die unermesslichen Tiefen des Weltraums auf die unzähligen Sonnen und Sternansammlungen richtet.
      Jawohl, "der Genuss vom Baum der Erkenntnis" hat heute ein Riesenformat angenommen. Die Neugierde des Erdenmenschen ist unersättlich und nimmt weiterhin zu. Sein Sammeln von Erkenntnissen ist fieberhaft. Unterrichtspaläste, Universitäten, Lehranstalten, Laboratorien, Observatorien, Versuchsstationen und Bibliotheken tauchen überall auf, werden zahlreich.
      Und wonach jagt der Mensch nun in dieser unbezwinglichen Neugierde? Was will er eigentlich wissen? – Ist er glücklich geworden, weil er nun weiß, dass dieses oder jenes Sternensystem so und soviel Tausende von Lichtjahren entfernt ist? Ist er glücklich durch die Entdeckung, dass Zellengewebe außerhalb des Organismus wachsen kann, wenn es dieselben Lebensbedingungen erhält wie im Organismus? – Ist er glücklich geworden durch die Entdeckung der Sprengstoffe und Giftgase oder dadurch, dass er all die modernen Mordmaschinen erfunden hat? Ist er durch die Überlegenheit und Macht glücklich geworden, die ihm diese Erfindungen über andere Wesen, über andere Völker, über andere Gebiete und Territorien verschafft haben? – Ist er durch den Reichtum, Luxus und Komfort glücklich geworden, mit dem er sich zu umgeben vermochte? –
      Bedeutet dieser üppige Reichtum nicht in vielen Fällen entsprechend Armut, Missbrauch, Mühe und Anstrengung für andere Wesen? Bedeuten die modernen raffinierten Kriegserfindungen nicht Verkrüppelung, Verletzung und Tod für viele Menschen? Wie viele Tonnen Blut sind hier nicht geflossen? Wie viele Quadratkilometer Friedhof hatten sie nicht zur Folge, und wie viele Quadratkilometer werden noch hinzukommen? Wird heute nicht ein brutaler und hartnäckiger Kampf um den Gewinn bei der Ausnutzung der modernen Hilfsmittel, Maschinen und Apparate ausgefochten? – Und schafft dieser Gewinn – der ja gemäß diesem, göttlichen Weltplan gerade mit dazu beitragen sollte, den Menschen über die schwierige Behandlung der Materie hinauszuheben, der "Adam" von der schweren Arbeit befreien sollte, die ihn heute zwingt, sein "Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen", der es den Menschen ermöglichen sollte, die Elemente für sich arbeiten zu lassen – nicht gerade Vorteile für eine bestimmte kleine Klasse oder Clique der gesamten Menschheit, Vorteile, die sich nur in Schlemmerei, Üppigkeit und Faulheit bei dieser kleinen Clique auswirken können, weil sie eben eine verschwindend kleine Minderheit im Verhältnis zu diesen riesenhaften Werten sind, die ursprünglich ja als Güter für die gesamte Menschheit und nicht nur für einen kleinen Bruchteil ihrer Wesen bestimmt waren? Wird dies nicht unvermeidlich zu einer Quelle von bösem Blut, von Streit und Unruhen zwischen dieser Clique und der übrigen Menschheit? Und ist diese Unruhe nicht der Tanz ums goldene Kalb am Berge Sinai, der immer noch seine Wirbel hinaus in die weite Welt des zwanzigsten Jahrhunderts wirft? –
      Ja, sind all das viele Wissen, all die vielen technischen Wunder und übrigen Erscheinungen oder Resultate vom "Genuss vom Baum der Erkenntnis" nicht zunächst einmal zu Schwierigkeiten, Verzweiflung, Trauer, "dem Tag des jüngsten Gerichts", ja "der Hölle" selbst geworden? – Hat die Zusammenarbeit mit der "Schlange" nicht eine reine Vergiftung des ganzen erdenmenschlichen Daseins zur Folge gehabt? – Und ist nicht diese ganze Zone der Leiden, dieses irdische "Jammertal", dieses ganze egoistische Ausnutzen und An-Sich-Reißen der Güter, diese ganze Manifestation des Prinzips: "jeder ist sich selbst am nächsten", eine kulminierende Fortsetzung des rein ehelichen Egoismus? Ist das nicht eine Verlängerung des Eigentumsbegehrens der "Verliebtheit", ihre Verehrung des Eigentumsrechts? Ist das nicht die Kulmination des Tierreiches: die Genialitätsentfaltung des "tötenden Prinzips"? – Ist es nicht "der Kopf der Schlange", den wir hier vor uns haben? Und ist diese Genialitätsentfaltung nicht ihr Gift? – Hat ihre "Verführung" nicht die Degenerierung der Ehe zur Blüte gebracht? – Sind die "Nester" und der "Fuchsbau" nicht zu "Wolkenkratzern" und die "Stoß- und Hauzähne" und "Krallen" nicht zu den Mordmaschinen der Kriegsindustrie geworden? – Ist man nicht Experte im Verstümmeln, im Morden und Rauben geworden? –
      Heute muss man nicht nur für das "Nest", die "Höhle" und die Nachkommenschaft sorgen, um das Glück zu bewahren. Nun muss dem "Stand", der "Ehre", der "Position", dem "Vermögen", der "Würde", dem "Stolz", dem "Nationalismus", der "Politik", den "Geschäftsprinzipien", "Börsenkursen", "Patentausnutzungen" usw. Interesse und Schutz geopfert werden, um das "Glück" zu sichern.
      Aber das Glück ist immer noch weit weg. – In goldenen Käfigen und Glaspalästen, in Seide und Purpur, in Hermelin und Zobel gekleidet geben der flüchtende "Adam" und die flüchtende "Eva" schreiend Ausdruck für ihre geistigen Kälteschauer. Hinter Millionenheeren, Befestigungen, Kriegspanzern und Stacheldrahtsperren ruft das flüchtende Paar die "Qual über seine Nacktheit" zum Himmel, ruft nach jenem "ewigen Frieden", den sie nicht lernten, andern zu geben. Im Totentanz blutbesudelter Walplätze, im Todesröcheln der Verwundeten und Verletzten geht die göttlichen Voraussage in Erfüllung: "denn welches Tages du vom Baum der Erkenntnis issest, wirst du des Todes sterben."
      Dieser "Tod" jedoch ist der Tod des "Tieres" im Erdenmenschen. Er ist "der Samen des Weibes", der "den Kopf der Schlange zertritt". Der Befehl Gottes geht seiner Erfüllung entgegen. Der Tanz um das goldene Kalb verstummt. "Adams" und "Evas" Tierkörper wurde zerstört. In der Stille leuchtet "der Heilige Geist". Und in diesem höchsten Sonnenschein sehe ich den verwandelten "Adam" und die verwandelte "Eva" "von den Toten auferstehen" – nicht mehr als "Sphinx": halb "Tier" und halb "Mensch", sondern als "Abbild Gottes, ihm gleichend". Und über diesem gelösten Mysterium der Sphinx sind die Stimmen der himmlischen Heerscharen zu hören: "Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen." –


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