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35. Kapitel

Die Seele kann nicht getötet werden. Die Gedanken können nicht gefesselt werden. Mit ihnen kann man "seinen Nächsten wie sich selbst lieben", umarmen und liebkosen, unabhängig von jedem Hindernis  Verliebtheit ist also eine Realität, die es zu einer Lebensbedingung macht, von einer ganz bestimmten Person wiedergeliebt zu werden. Das Wesen ist während der Verliebtheit von Kräften besessen, die seine sympathischen Anlagen vollständig mobilisieren, nicht um diese "geliebte" Person einem anderen zu geben, sondern ausschließlich, um selbst sexuelles Eigentumsrecht über diese Person zu erlangen. Verliebtheit macht somit diesen geistigen Zustand zur Lebensbedingung. Verliebtheit ist kein kalter und nüchterner Intelligenzakt, dessen Vorhandensein nur vom Willen bestimmt ist. Ihr Vorhandensein im Wesen ist durch seinen Organaufbau bestimmt und kommt in ihm infolgedessen ganz unabhängig davon vor, ob es das Wesen will oder nicht, also genau auf die gleiche Weise wie Hunger und Durst, die bekanntlich auch nicht vom Willen diktiert werden.
      Wenn aber Verliebtheit eine Besessenheit ist, die nicht willensbestimmt ist, und da Verliebtheit gleichzeitig Gegenliebe und sexuelles Eigentumsrecht auf das "geliebte" Wesen zur Lebensbedingung macht, zwingt der Selbsterhaltungstrieb das "verliebte" Wesen ja dazu, für die Erwiderung der Liebe und für dieses Eigentumsrecht zu kämpfen. Da dieser Kampf "Eifersucht" ist, ist "Eifersucht" somit ein ganz natürlicher Prozess. Kann aber etwas, was natürlich ist, "böse" sein?
      Wenn das Nichterreichen dieses Eigentumsrechts und dieser Gegenliebe zuweilen den Verlust der geistigen Frische bedeuten kann, den Verlust der Lebenslust, die Überlastung des Nervensystems durch Grübeln und untröstliche Trauer, schlaflose Nächte, ein Abgleiten in einen Abgrund von Lastern, Eifersucht und Selbstmord verursachen kann, dann ist es unbedingt recht und billig, dass das "verliebte" Wesen alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen sucht, sich an alles klammert, was es mit dem "geliebten" Wesen verbinden kann, ja sogar dann noch, wenn letzteres selbst großen Widerstand leistet.
      Ein "eifersüchtiges" Wesen ist also ein Wesen, das um sein Leben kämpft. Aber ein Wesen, das ums Leben kämpft, ein Wesen, das seinen natürlichen Anlagen folgt, ein Wesen, das um die lebensbedingende Befriedigung seiner natürlichen Anlagen kämpft und die lebensbedingende Stillung von Hunger und Durst zu erreichen wünscht, die in seinem Körper brennen und von Kräften oder einer Besessenheit diktiert werden, über die es selbst keinerlei Herrschaft hat, ist ein solches Wesen ein "Verbrecher"? – Muss es bestraft werden? – Kann es ein Verbrechen sein, wenn ein Wesen, dessen Gleichmut und Lebensglück von der Erwiderung der Liebe des "geliebten" Wesens abhängen, darum kämpft? – Da dieses Erreichen eine so wichtige Lebensbedingung geworden ist, würde es ja in entsprechendem Maße Selbstmord sein, nicht dafür zu kämpfen. Wenn es nicht für dieses Erreichen seines Lebensglücks kämpfte, würde es sich ja zu geistiger Invalidität, zu einem unglücklichen Dasein verurteilen, das sein Leben und Wohlbefinden völlig untergraben würde.
      Kämpft aber nun das Wesen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln um die Erwiderung der Liebe des "geliebten Wesens", kann es auch in die Lage kommen, töten zu müssen. Es tötet den Frieden, das Glück und das seelische Gleichgewicht des Wesens, dem es nachstellt, wenn die sympathischen Anlagen oder die Verliebtheitsfähigkeit bei Letzterem vom Verfolger nicht stimuliert werden können. Dass dieses Wesen Eifersucht fühlt und zu verhindern versucht, dass die sympathischen Anlagen des "geliebten" Wesens einem eventuellen "neuen" Wesen gegenüber zur Auswirkung kommen, wenn jenes neue Wesen seiner Natur nach diese bis zur Verliebtheit stimulieren kann, das macht das Ganze bloß noch schlimmer. Die Nachstellung des "verliebten" Wesens wird dem nachgestellten Wesen und seinem eventuellen "Geliebten" oder "Verlobten" sehr lästig. Und der Selbsterhaltungstrieb beginnt, sich nun auch in diesen Wesen geltend zu machen, so dass auch sie für das Glück und fürs Leben zu kämpfen beginnen.
      Das unglücklich "verliebte" Wesen ist demnach so gestellt, dass es entweder sich selbst oder das "geliebte" Wesen aufgeben muss. Und ist nicht diese unglückliche Situation die wichtigste Voraussetzung des ewigen Wortes: "Geben ist seliger denn Nehmen"?
      Dass dieses große Wort oder diese Analyse richtig ist, wird dadurch grundlegend sichtbar, dass Verliebtheit und Gegenliebe nicht durch Macht erzwungen werden können. Der oder die "Verliebte" kann natürlich im besten Fall das "geliebte" Wesen zwingen, sich seinem oder ihrem Willen zu fügen, aber dies geschieht nur rein äußerlich und formell. Die Seele kann nicht gezwungen oder eingesperrt werden und geht auf eigenen, geheimen Wegen oder Pfaden dorthin, wo der Brennpunkt ihrer Sympathie zu finden ist.
      Dies bedeutet also, dass ein solches "gezwungenes" Wesen kein echter Partner ist, sondern nur ein Ersatz dafür, was der oder die "Verliebte" sich wünscht. Das "verliebte" Wesen besitzt oft aufgrund alter Traditionen juristisches oder eingebildetes moralisches Recht auf das andere Wesen, aber dieses Recht erstreckt sich in Wirklichkeit nur auf den physischen Körper, absolut nicht auf seine Mentalität. Diese lässt sich nicht einsperren, wenn sie auch natürlich durch die äußeren Umstände sehr belästigt werden kann. Die Gedanken können nicht gefesselt werden. In Gedanken kann man seinen "Nächsten wie sich selbst lieben", ihn umarmen und liebkosen, so viel man will, gleichgültig, welch dicke Mauern auch zwischen diesem und einem selbst sein mögen, gleichgültig, wie "verboten" und "unmoralisch" dieser geistige Zustand auch erscheinen mag.
      Ist diese Geisteshaltung eigentlich nicht ganz normal? – Wie sollte sonst Entwicklung stattfinden? – Wie sollte sonst die Seele zu immer höheren Zonen wandern, wenn sie unfreiwillig vom Egoismus, von Launen und Begierden eines anderen Wesens zurückgehalten werden könnte? – Und hat nicht gerade dieser Umstand Christus inspiriert, zu sagen: "und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, denn sie können die Seele nicht töten?"


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