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32. Kapitel

"Verliebtheit" ist etwas ganz anderes als "Liebe"  Hier werden viele Leser sicher verwundert sein. Ja, sie werden in ihrem Bewusstsein vielleicht sogar stark gegen diese meine Analyse reagieren. Sie werden vielleicht empört ausrufen: "Was hat Vater- und Mutterliebe mit Sexualität zu tun?" – Dass ein Vater seinen Sohn liebt und eine Mutter ihre Tochter, bedeutet doch nicht, dass sie in diesen Sohn bzw. diese Tochter "verliebt" sind. "Verliebtheit" ist doch etwas ganz anderes. Und was "die Verliebtheit" betrifft, muss ich einräumen, dass ihre Auffassung nie richtiger sein könnte als gerade in diesem Fall. "Verliebtheit" ist ja eben etwas ganz anderes als "Liebe".
      "Verliebtheit" ist eine in der Natur vorkommende Erscheinung, die in der Zone, wo sie hingehört, die Fortpflanzung der Art anreizt und fördert. Ihrer tieferen oder geistigen Natur nach ist sie eine geistige Kraftwelle, die das Geschöpf durchdringen kann. Kulminiert diese Besessenheit seines Gehirns und Nervensystems, beherrscht sie vollständig seine Mentalität und formt seine Gedanken zu einer glühenden Begierde, bis ein unlöschbarer Durst und unstillbarer Hunger danach entsteht, das Wesen zu besitzen, zu berühren oder zu liebkosen, welches das auslösende Moment und der Gegenstand der Verliebtheit ist. Ebenso ist gegenseitiges Liebkosen und die gegenseitige Berührung mit diesem Wesen natürlich identisch mit dem Genuss der höchsten Seligkeit, oft in einem solchem Maße, dass sie zur Lebensbedingung werden. Wenn dies nicht der Fall wäre, gäbe es keine "unglückliche Liebe", keine "Liebesdramen", keinen Selbstmord aufgrund einer aufgehobenen Verlobung usw. Ja, es gäbe nicht einmal die "Ehe".
      Wenn aber die "Verliebtheit" eines Wesens die gegenseitige Auswechslung von Berührung und von Liebkosungen mit einem bestimmten anderen Wesen zur Lebensbedingung macht, fordert sein Selbsterhaltungstrieb, dass es alle seine Kraftanstrengung und Denkfähigkeit ausschließlich auf das eine Ziel richtet, die volle Sympathie dieses anderen Wesens oder gegenseitige Verliebtheit zu erreichen. Dies bedeutet also, dass "Verliebtheit" es zu einer Lebensbedingung macht, – nicht etwa seinen Gott über alle Dinge oder seinen Nächsten wie sich selbst oder "einander zu lieben" – sondern sage und schreibe nur ein einziges Wesen zu lieben, nämlich das, welches die Verliebtheit verursachte. Sein Selbsterhaltungstrieb, die Aufrechterhaltung seines Gleichmuts und seiner natürlichen Freude am Dasein verlangen, dass alles bekämpft wird, was die Erlangung der Zuneigung des andern Wesens verhindern könnte. Dies bedeutet wiederum, dass die Verliebtheit Hass gegen Personen und Dinge hervorruft, die dieser Erreichung entgegenarbeiten oder sie zu verhindern suchen. Verliebtheit facht die Entstehung des "Besitzerrechts" auf dieses andere Wesen an und erzeugt damit die tiefste auslösende Ursache für alles, was zum Begriff "das Böse" gehört. Verliebtheit erzeugt die Zone im Dasein, wo Eifersucht, Hass, Rache, Mord und Totschlag lebensbedingende Eigenschaften sind, die vom Selbsterhaltungstrieb diktiert werden, um den lebensbedingenden Partner als ein für andere absolut unberührbares Eigentum selbst zu besitzen.
      Dass sich diese geistige Einstellung des Bewusstseins nicht nur auf den Ehepartner beschränkt, versteht sich von selbst. Sie muss notwendigerweise auch Gegenständen oder Dingen gelten, die Mittel sind, welche die Überlegenheit des "Verliebten" über die Rivalen aufrechterhalten oder behaupten. Und dies ist der Grund dafür, dass die Welt heute vom Geld regiert wird und dass sich dies wieder in Kriegen, in Mord, Totschlag, Verletzungen, Raub und Betrug auswirkt. Die Menschen dieser Welt treten einander schonungslos nieder auf der Jagd nach der Befriedigung der Verliebtheit und nach Macht und Werten, die diese Befriedigung begünstigen. Diese Zone bildet im gesamten Weltplan das wahre "Tierreich".
      Nun wird man vielleicht einwenden, dass der Mensch doch etwas anders ist. Aber das ist nur in gewissem Grade richtig. Dass er ein "Säugetier" ist, kann nicht bestritten werden. Er hat jedoch einige beginnende geistige Eigenschaften, die den tierischen Tendenzen entgegenarbeiten, auf welche ich später zurückkommen werde. Dass der Mensch aber noch in großem Ausmaß von Verliebtheit besessen ist, dass das Paarungsprinzip und das Eigentumsrecht auf den Ehepartner noch für viele Menschen eine Lebensbedingung ist, das kann nicht bestritten werden. Er leidet darunter, wenn er vom Ehepartner im Stich gelassen wird. Seine Moral und Religion drücken noch immer als ganz selbstverständlich das Eigentumsrecht auf den Ehegatten aus, erklären es als natürlich, Eifersucht zu fühlen, über Untreue zornig zu werden. Der Ausdruck der Bibel "du sollst nicht ehebrechen" arbeitet auch nicht dagegen an. Und doch gibt es ein großes Gebiet in der Bibel, das in eine ganz andere Richtung weist. Was meint man unter anderem von den großen Geboten "liebet einander" – "du sollst nicht töten" – "rächet euch selber nicht, meine Liebsten; ich will vergelten, spricht der Herr" – "Geben ist seliger denn Nehmen" – "denn was der Mensch sät, das wird er ernten"? – Ist es nicht leicht zu sehen, dass diese ewigen Worte einer ganz anderen geistigen Kraftquelle entsprungen sind als der "Verliebtheit"? Während "Verliebtheit" das Begehren danach anfacht, sich etwas anzueignen oder zu nehmen, reizt jene geistige Kraftquelle, deren Resultat diese Sätze sind, das Entgegengesetzte an, nämlich die Lust zu geben. Diese Kraftquelle ist unter dem Begriff "Liebe" bekannt.
      Wie man sieht, ist "Verliebtheit" durchaus nicht dasselbe wie "Liebe". Während "Verliebtheit" ja eben das Ihre sucht, sucht "Liebe" dies absolut nicht, sondern Vorteile für andere.
      Wir stehen hiermit also zwei unterschiedlichen Arten geistiger "Besessenheit" gegenüber, welche die besondere Manifestationsart und den Charakter des Wesens bestimmen. "Verliebtheit" macht das Geschöpf eigennützig und egoistisch, dadurch dass sie es zur Lebensbedingung macht, ein bestimmtes anderes Wesen und die Mittel, das Hab und Gut, zu besitzen, die dabei dienlich sind. Diese Aneignung ist besonders kalt und rücksichtslos, weil "Verliebtheit" ja im gleichen Grad, in welchem sie die "geliebte" Person zur Lebensbedingung macht, andere Personen mehr oder weniger überflüssig oder entbehrlich macht. Nur wenn man dieses "geliebte" Wesen ganz für sich allein besitzt, ist man glücklich. Dies ist deshalb die Kulmination von Egoismus. Durch die Verwandtschaft und Familie entwickelt sich diese Denkart oder dieses Gedankenklima immer weiter, um in kollektiver Form in dem in gewissen Ländern so hoch gepriesenen "Nationalismus" zu kulminieren.
      Was ist wohl "Nationalismus" anderes als dieses Eigentumsbegehren oder ein Geltendmachen von diesem und jenem, was man unbedingt für sich selbst haben will? Hier in diesem Fall gilt die "Verliebtheit" also dem sogenannten "Vaterland". "Vaterlandsliebe" oder "Nationalismus" ist deshalb dasselbe wie "kollektive Verliebtheit". Und je größer diese "Verliebtheit" oder "Vaterlandsselbstsucht" ist, desto weniger ist man imstande, auf das "Vaterland" anderer Länder Rücksicht zu nehmen.
      Was hält man von dem Vorgehen, dass eine größere Nation mit überlegenen Kriegs- und Mordinstrumenten schonungslos die Geschöpfe einer kleineren Nation niedermäht, um ihr Gebiet oder Territorium zu erobern, ganz unberührt davon, dass diese kleinere Nation durch Jahrtausende existiert hat, dass sie dieses Territorium in hundert und aberhundert Generationen besaß? Ist das "Christentum"? – Ist das "Liebe" oder die Erfüllung des Gesetzes: "liebe deinen Nächsten wie dich selbst"? Nein, das ist "kollektive Verliebtheit". Das ist Egoismus und Selbstsucht in Reinkultur. Das ist "Heidentum" oder die Ursache von allem, was zum Begriff des "tötenden Prinzips" gehört, das laut dem "Livets Bog" die Lebensbedingung des Tierreiches ist. Das ist, wie schon gesagt, die Wurzel alles dessen, was zum Begriff "das Böse" gehört. Das ist es, was den "verlorenen Sohn" in Lumpen und Fetzen kleidet. Das ist es, was die Menschen selbst dazu verleitet, die unermesslichen Reichtümer des Erdballs, die dazu bestimmt sind, eine viel größere Menschheit als die jetzige zu ernähren, mit solcher Primitivität zu verwalten, dass einige Menschen kolossale Berge Reichtümer, Geld, Nahrungsmittel und Güter, ja tausendfach mehr besitzen als ihr eigenes, jetziges irdisches Leben in durchschnittlichem Luxus und wirtschaftlicher Wohlhabenheit überhaupt kosten würde. Und dabei halten sie entweder bewusst oder unbewusst diesen Überschuss von Werten als "Privateigentum" gebunden und unzugänglich für andere Menschen. Diese anderen können infolgedessen nicht die notwendigen Kleider, Nahrungsmittel oder andere Lebensbedürfnisse bekommen und gehen in Armut und Arbeitslosigkeit zugrunde. Auf der einen Seite Menschen, die in üppigem Wohlleben, in Verschwendung, Schlemmerei und Ausschweifungen sterben, und auf der anderen Seite Menschen, die Hungers und an Armut und Lebensüberdruss oder Lebensmüdigkeit sterben, das sind die äußersten Verzweigungen und Folgen der "Verliebtheit".
      Die Mentalität der Nationen von heute ist somit nur eine kollektive Widerspiegelung der Gedankenklimate und Konsequenzen der "Verliebtheit". Sind die Nationen nicht Wesensformen, die lieben und hassen, die erobern und plündern, ja, die dies obendrein verhältnismäßig viel schlimmer als die einzelnen Menschen betreiben? Denn die Nationen sind noch nicht wie diese durch ein effektives Rechtswesen gebunden oder ihm unterworfen, sondern leben in völlig freier und unbeherrschter Anarchie, können über andere Nationen ganz nach der Reichweite ihrer Kanonen oder nach dem Umfang und der Überlegenheit ihres Kriegsmaterials schalten und walten.
      Aber hier haben wir die Kulmination oder die letzte Grenze für das Gedeihen des Egoismus erreicht. Hier sind wir zu einem Stadium gekommen, wo dieser sich selbst untergräbt, wo er dabei ist, Selbstmord zu begehen.
      Wenn die Nationen aus rivalisierender "Verliebtheit" in Gold oder in andere wirtschaftliche Vorteile, aus glühender Eifersucht und aus Selbsterhaltungstrieb einander unterminieren und auslöschen, dann ist dies der Untergang des "Nationalismus" und damit des Egoismus. Dieser Untergang wird in der Bibel als "Tag des jüngsten Gerichts", als die "letzten Zeiten", als "das Ende der Welt" bezeichnet.
      Am "Tag des jüngsten Gerichts" werden die "Lebenden und Toten" gerichtet. Das angewendete "Urteil" ist – Weisheit. Weisheit stellt die Erfahrungen dar, die durch den Lebenslauf und den Untergang des Egoismus und der Selbstsucht gemacht wurden. Dies führt den "verlorenen Sohn" zurück zum Vater oder macht Christi Wort zu Tatsachen. Das Urteil des "Gerichtstages" ist den Menschen schon vor langer Zeit verkündet worden und hat nun in bald zwei Jahrtausenden in Form der ewigen, unvergänglichen Worte: "was ein Mensch sät, soll er ernten" – "liebe deinen Gott über alle Dinge und deinen Nächsten wie dich selbst" – "Geben ist seliger denn Nehmen" die menschliche Mentalität mit einem Gedankenklima durchsäuert, das jenem Gedankenklima diametral entgegengesetzt ist, welches "Verliebtheit" auslösen oder aufrechterhalten soll. Mit anderen Worten: das Urteil des "Gerichtstages" drückt aus, dass das Leben nicht nur bedeutet, etwas eigennützig zu lieben und zu besitzen, sondern dass man auf eine ganz andere Weise als bisher lebt.
      Und durch diese neue Lebensweise und Mentalität wird die Verheißung vom "neuen Himmel" und von der "neuen Erde" fortan wichtig und zur Tatsache.


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