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21. Kapitel

Alles Erleben des Lebens ist nur eine Wahrnehmung von Gegensätzen  Es ist daher kein geringes Erlebnis, als Zeuge am Geschehnis im Urwald teilgenommen zu haben. Die göttliche Schöpfungsmacht wird hier ja vollständig vor unseren Augen enthüllt. Dieses Ereignis und seine Wiederholung in unseren Tagen geben uns also den Schlüssel zur Lösung des Mysteriums der Schöpfung in die Hand. Wir sehen in diesem Ereignis, dass ein stärkeres Tier ein schwächeres überfällt, dass eine stärkere Macht eine weniger starke Macht bearbeitet. Und wir haben gesehen, was diese stärkere Macht bewirkt hat, welchen Aufruhr sie im Bewusstsein und Seelenleben des hilflosen Tiers verursacht hat, wie das Entsetzen vor Tod und Untergang das erste Pochen an die Tür des, geistig gesehen, bewusstlosen oder schlafenden Wesens war, um es allmählich zur Erkenntnis einer höheren und besseren Welt zu erwecken, zur Tatsache, dass aller Tod und Untergang, jedes Opfer und alle Unterdrückung in Wirklichkeit die Pforte des Lebens ist, der dunkle Hintergrund ist, ohne den es unmöglich wäre, das lichte Bild des Lebens zu malen; dass dies das dunkle Grab ist, das notwendigerweise da sein muss, damit eine Auferstehung zum Licht überhaupt stattfinden kann, das notwendige "Böse" ist, das sein muss, damit eine Empfindung von etwas "Besserem" geschaffen werden kann, da ja gerade auf dieser Empfindung alle Fähigkeit beruht, Freude zu erleben. Die Freude ist nämlich ihrer höchsten Analyse nach dasselbe wie die Reaktion des Überganges von Dunkel zu Licht, von Krankheit zu Gesundheit, von Not zu Hilfe, von Schmerz zu Linderung, von Armut zu Wohlstand, von Torheit zu Weisheit, von Primitivität zu Intellektualität usw., während die Trauer auf die gleiche Weise die Reaktion des Übergangs in entgegengesetzter Richtung ist: von Licht zu Dunkel, von Gesundheit zu Krankheit, von Glück zu Unglück usw.
      In überhaupt keinem einzigen Fall kann Trauer aufkommen, ohne die Reaktion des bewussten Erlebens einer Verwandlung oder eines Übergangs des Daseins von einem besseren zu einem schlechteren oder vermeintlich schlechteren Zustand zu sein. Und abgesehen davon, dass demzufolge weder eine "böse" noch eine "gute" Daseinsform bestehen könnte, würde es gar keine Möglichkeit geben, die Kontraste zwischen diesen beiden Lebensformen zu empfinden. Es wäre dann gar kein Erleben des Übergangs vom einen zum anderen Bewusstseinszustand, weder von "Gut" zu "Böse" noch umgekehrt von "Böse" zu "Gut" möglich, und die hieraus folgende Fähigkeit, Trauer und Freude zu empfinden, wäre nie und nimmer von einem Geschöpf erlebt worden.
      Aber ein Individuum, das niemals Freude oder Trauer erlebt hat, d.h. seiner höchsten Analyse nach niemals irgendeine Form von Kontrast oder Gegensatz erlebt hat, ist kein Individuum, ist kein Lebewesen, denn das Leben ist ja eine ewige Analyse von Zuständen, ein ewig fortsetzendes Unterscheiden zwischen Kontrasten. Und wenn diese Zustände nicht auf dem Hintergrund von Gegensätzen vorkämen, dann wären sie ja für die Wahrnehmung unsichtbar, unzugänglich, ja, sie würden einfach gar nicht existieren. Ein Ding existiert nur durch sein Abweichen von anderen Dingen. Wenn es dieses Abweichen nicht gäbe, wäre dieses Ding ja eins mit diesen anderen Dingen und würde sich unmöglich von ihnen als eine sehbare, hörbare oder fühlbare Einzelheit abheben. Man malt keine weißen Buchstaben auf weißen Hintergrund oder schwarze Buchstaben auf schwarzen Hintergrund, da die Sichtbarkeit eines solchen Textes niemals voll befriedigend wäre. Volle Sichtbarkeit oder Erlebnismöglichkeit erreicht man nur oder ist nur dort möglich, wo ein Ding auf dem Hintergrund seines absoluten Kontrastes oder Gegensatzes gesehen wird. Im selben Grade, wie der Gegensatz aufhört, hört auch die Sichtbarkeit der Dinge oder ihre Zugänglichkeit für die Wahrnehmung oder das Erleben auf.
      Alles Wahrnehmen oder Erleben kann deshalb nur als das Empfinden der Verschiedenartigkeit eines Objektes von seiner Umgebung existieren, der Abweichung eines Gedankens von anderen Gedanken, des Kontrastes eines Erfahrungsgebietes zu anderen Erfahrungsgebieten. Alles Erleben, das ganze Dasein, alles Leben ist nur Empfindung von Gegensätzen. Und das Lebewesen wird also durch seine Wahrnehmung zu dem "festen Punkt" zwischen den Gegensätzen. Das Individuum ist der unerschütterliche Mittelpunkt oder das Zentrum zwischen "oben" und "unten", zwischen "vor" und "zurück", zwischen Primitivität und Intellektualität, zwischen Weisheit und Torheit, zwischen Vergangenheit und Zukunft usw. Nur in der Empfindung des Lebewesens existieren diese Gegebenheiten, da sie nämlich nur Ausdrücke sind, mit denen es seine ewige und unerschütterliche Stellung im Dasein als Zentrum oder Mittelpunkt des Lebens, sein Ich als Grundlage für alle Bewusstseinsbildung bezeichnen muss und die somit die Enthüllung seiner Identität mit dem Schöpfer sind.


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