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17. Kapitel

Das religiöse Prinzip ist nicht von Menschen erfunden, sondern ist ein Teil der Natur  Wir wollen nun das Leben selbst sprechen lassen, um dadurch seine Anweisung darüber zu finden, was man tun muss, um "selig" zu werden. Wir begeben uns daher zurück zu fernen Zeiten, als noch kein menschlicher Fuß die Kontinente der Erde betreten hat. Eine starke Wärme vom Innern des Erdballs erzeugte überall auf seiner Oberfläche eine große tropische Wärme und verursachte durch Verdampfung eine unermessliche Zirkulation der Wassermassen. Eine undurchdringliche Wolkendecke bedeckte dauernd den ganzen Himmel. Kein Auge hatte bisher den blauen Himmel oder direkt das weiße Licht der Sonne gesehen. Dazu war die Atmosphäre viel zu dick. Eine ewige Dämmerung ruhte über allem. Das Leben ging in einer Welt des Halbdunkels vor sich. Unermessliche Tropenwälder breiteten sich von Küste zu Küste aus. In der feuchten, heißen Luft schoss das Leben hervor. Wir befinden uns im ersten schwachen Morgenrot "des sechsten Tages", des Tages, dessen Mittagssonne erst heute erreicht ist und über die Welt leuchtet und dessen Abendsonne der Erdenmensch noch niemals untergehen sah. Wir sind mitten in "Gottes Schöpfung von Tieren und Menschen".
      Im Schutze dieser unermesslichen Urwälder der Vergangenheit, deren mächtige Pflanzenarten nicht das Licht der Sonne vertragen konnten und deren entartete, zwergenhafte Nachkommen daher in unserer jetzigen mit Sonne erfüllten Welt sparsamen, lebenswichtigen Schatten am Fuße von lichtliebenden Bäumen suchen müssen, wuchs das Leben weiter und weiter. Aufgrund des andauernd bedeckten Himmels war die Welt dunkel wie ein Waldboden. Und die Bäume der damaligen Urwälder sind deshalb auch als die jetzigen Waldboden-Pflanzenarten in Riesenformat zu bezeichnen.
      Aus dem Innern dieses gewaltigen Dickichts kam ein kleines, merkwürdiges, von Grauen ergriffenes Tier gesprungen, verfolgt von einem anderen, raubtierartigen, gefährlich wirkenden Wesen. In der herrschenden Dämmerung verloren wir sie schnell aus den Augen, aber ein herzzerreißender, langgezogener Schrei verkündete die Kapitulation des verfolgten Wesens, verkündete, dass die Rettung, die es durch seine Flucht zu erreichen glaubte, nun aufgegeben werden musste, verkündete, dass es selbst keine Kraft mehr hatte, um sich durch eigene Hilfe aus der Gefahr zu befreien, weshalb sein Entsetzen und seine Verzweiflung über den drohenden Untergang durch den genannten Schrei als letzten Ausweg ausgelöst wurden. Dies war also ein Notschrei, ein Hilferuf, ein Schrei im "Dunkeln" – wer aber sollte gerufen werden? – Ja, an ein sichtbares und bekanntes Wesen konnte der Schrei absolut nicht gerichtet sein, da er sich im Prinzip in allen Notlagen bei allen Wesen wiederholt, die Laute hervorzubringen vermögen, und da er mit jeder Todesangstauslösung verbunden ist, ganz unabhängig davon, ob andere Wesen anwesend sind oder nicht.
      Der Ruf ist also an etwas Unbekanntes gerichtet. Aber ein Ruf, der an etwas Unbekanntes um Rettung oder Errettung gerichtet ist, ist ja dasselbe wie ein "Gebet" an eine unbekannte höhere Macht, eine blinde Hinwendung an eine unbekannte Vorsehung, was ja genau dasselbe ist, was wir heute ein "Gebet zu Gott" nennen. Ist ein "Gebet zu Gott" wohl etwas anderes als ein Hinwenden oder eine Bitte an eine höhere Macht oder an eine Vorsehung? –
      Dass die Menschen in ihrem höheren Entwicklungszustand als dem der Tiere die Fähigkeit erhalten haben, diese seelischen Erscheinungen, diese Angstauslösungen, diese ihre Notrufe durch kultivierte Laute, durch Sprache, Wortformen und Sätze auszudrücken, ihnen Namen und Ausdrücke zu geben, sie "Religiosität", "Gebet zu Gott" oder ähnliches zu nennen, so dass diese Erscheinungen imstande waren, das erwachende Bewusstsein eine existierende "Vorsehung", einen "Gott" oder "Götter" usw. ahnen zu lassen, das ändert ja nichts am Prinzip und entkräftet es nicht, sondern zeigt vielmehr, dass es sich entwickelt.
      Aus den großen Urwäldern der Vergangenheit erschallten also die "Gebete" zu Gott, die von Wesen hervorgebracht wurden, die sich noch nicht zu dem entwickelt hatten, was wir heute unter Menschen verstehen, sondern die noch denen zuzurechnen waren, die wir Tiere nennen, genauso wie auch heute noch derselbe heilige Notruf aus unseren eigenen Wäldern erschallt.
      Wenn sich aber die Verbindung zwischen einer unbekannten Vorsehung und den Lebewesen oder das "Gebet zu Gott" auf diese Weise im Dickicht der großen Urwälder der Vergangenheit geltend machte, lange bevor der Mensch entstand, und sich ebenfalls bei den Tieren der Gegenwart geltend macht, dann ist "das Gebet zu Gott" oder mit anderen Worten "das religiöse Prinzip" ja gar kein menschlicher Einfall. Wenn es aber kein menschlicher Einfall ist, dann ist es ja eine Einrichtung des Lebens selbst, ist es ja identisch mit der Natur selbst. Über das religiöse Prinzip, über das Gebet zu spötteln, heißt über die Natur zu spötteln, mit der Sonne und dem Monde zu rechten, heißt in höchstem Maße seine eigene Naivität und Unwissenheit bloßzustellen.
      Das religiöse Prinzip, die Hoffnung, der Glaube und der Drang, sich an eine Übermacht, an eine Vorsehung, an eine Gottheit zu klammern, ist also ein Teil der Natur selbst wie Sonne und Mond, wie Wetter und Wind, wie Blutkreislauf, Essen und Trinken und ist wie gesagt nicht von den Menschen erfunden worden. Was dagegen menschlichen Ursprungs oder menschlicher Einfall ist, sind die Vorstellungen, die Namen und Begriffe, mit denen wir diese unserer tiefsten Natur angeborenen Urinstinkte bezeichnen, die sich also, wie wir sahen, bis in die dunklen Wälder der Vergangenheit verlieren.
      Begriffe wie "Fetisch", "Großer Geist", "Gott", "Götter", "Zebaoth", "Jehova", "Zeus", "Odin" usw. sind alle erfundene Namen und Ausdrücke des werdenden Menschen, womit er sich gleichsam eine Art notwendiger Nummerierung der großen, unbekannten Erscheinungen bildet, bestrebt, ihnen in seinem Bewusstsein einen Platz zuzuweisen. Sie sind ein sichtbares Ergebnis der beginnenden Kultivierung dieser angeborenen Urinstinkte im Seelenleben der "Tiere", durch welche die Schöpfungskulmination "des sechsten Tages" diese Wesen als wahre "Menschen" vor Gottes Angesicht erstehen lässt.


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