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Logik - Inhaltsverzeichnis   

 

 

11. Kapitel

Die religiöse Weltanschauung ist unwissenschaftlich, solange sie sich nur auf Glauben und Behauptungen stützt  Nun wird vielleicht von gewissen materialistischen Kreisen der Einwand erhoben, dass "die religiöse Weltanschauung" auch keine Wissenschaft ist. Und dies ist natürlich ganz richtig. Die religiöse Weltanschauung hat selbstverständlich überhaupt nichts mit Wissenschaft zu tun, solange sie nur eine Behauptung ist. Die Gesetze der Logik gelten ja hier genau so gut wie bei der materialistischen Weltanschauung. Solange eine Erkenntnis nur eine Behauptung ohne Beweis bildet, kann sie allerhöchstens eine Vermutung sein. Eine Vermutung kann ein Irrtum sein, und eine Behauptung, die möglicherweise ein Irrtum ist, kann selbstverständlich nur als "unwissenschaftlich" bezeichnet werden.
      Dass die religiöse Weltanschauung Propheten und Welterlöser als Urheber hat, dass sie durch ein päpstliches Machtzentrum organisiert ist und ausgebreitet wird, dass sie von Kardinälen, Bischöfen, Priestern und Missionaren auf der ganzen Welt verkündet wird oder dass sie in vielen Ländern als Staatsreligion von den Kanzeln gepredigt wird, ist absolut keine Garantie dafür, dass sie "Wissenschaft" ist.
      Dass diese oder jene Person hervortritt und sich darauf beruft, "Gott erlebt zu haben", "Unsterblichkeit erlebt zu haben", vom "Heiligen Geist erfüllt zu sein", "erlöst" zu sein, "heilig" zu sein, das macht die religiöse Weltanschauung absolut nicht zur "Wissenschaft", solange diese Person diese Erlebnisse nur als Behauptungen proklamieren kann, d.h. als Behauptungen, die einer wissenschaftlichen Begründung oder einer wirklich bestätigenden mathematischen Beweisführung für die unerschütterliche Identität dieser Probleme mit den ewigen Naturgesetzen oder mit der überall in der Natur herrschenden göttlichen Schöpfungslogik völlig entbehren. Solange diese in der Darstellung der Lehre gänzlich fehlen, können diese Behauptungen für alle Außenstehenden oder für alle jene, die diese Erlebnisse nicht selbst gehabt haben, nur Dogmen oder allerhöchstens starke Vermutungen sein. Aber Vermutungen können ja Irrtümer sein, und die religiöse Weltanschauung wird somit durch eine bloße Behauptung ebenso wenig "wissenschaftlich" wie die materialistische.
      Dass sie sich zuweilen in gefühlvollen, aber intelligenzarmen "Weckungen" oder "Bewegungen" zeigt, deren Anhänger vielerorts Riesenhallen füllen können, gibt ihr keinerlei Prädikat als "Wissenschaft". Das zeigt vielmehr, welch großes Publikum noch existiert, das noch keine wirkliche Kenntnis von der Weltlogik hat und dem daher völlig die Fähigkeit fehlt, Forderungen an eine verstandesmäßige Auslegung der religiösen Lebensgrundlage oder Weltanschauung zu stellen, auf der es notwendigerweise sein tägliches Dasein leben muss.
      Dass man eine hohe soziale Position hat, dass man ein großer Geschäftsmann ist: Grossist, Bankdirektor oder Reeder, dass man ein großer Jurist ist, Rechtsanwalt an hohen Gerichten, Richter oder Staatsanwalt, dass man ein großer Künstler ist: Schriftsteller, Schauspieler, Maler oder Bildhauer, oder dass man auf andere Weise zur sogenannten intellektuellen Welt gehört und trotzdem möglicherweise enthusiastischer Anhänger der oben genannten intelligenzarmen, aber gefühlsreichen "religiösen Bewegungen" sein kann, zeigt ja nur, dass die Intelligenz der Betreffenden noch nicht so hervorragend entwickelt ist, um dieselben logischen Forderungen an die Weltanalyse selbst, an die religiösen Erscheinungen zu stellen, die man andererseits unweigerlich, um "groß" genannt zu werden, in seiner täglichen Praxis erfüllen muss, sei es Geschäft, Jura oder Kunst. Man begnügt sich auf den religiösen Gebieten gänzlich damit, das Gefühl zufriedenzustellen. Dies heißt also wieder, dass man auf die religiösen Probleme überhaupt nicht jene nüchterne verstandesmäßige Kritik und Denkweise anwendet, die man gezwungenermaßen auf das materielle tägliche Problem: auf den "Kampf ums Dasein" anwendet. Man wird in obigem Falle "seelisch ergriffen", wie man zu sagen pflegt, d.h., man bekommt durch die angeführte religiöse Behauptung eine "Empfindung von Wohlbehagen". Sie erfüllt einen mit einer Art seelischem Wohlbefinden ohne verstandesmäßige Kontrolle oder Einsicht.
      Aber ein solches Wohlbehagen, dass ausschließlich auf einer "Empfindung" beruht und daher nicht durch irgendwelche intelligenzmäßige Analyse stabilisiert ist, ist ein Bewusstseinszustand, der im Prinzip an einen "Rausch" erinnert. Dieser ist ja auch in den meisten Fällen eine Wohlbehagensempfindung ohne verstandesmäßige Einsicht. Hierbei muss man natürlich scharf unterscheiden, dass der Alkoholrausch eine unnatürliche, künstlich hervorgebrachte Erscheinung ist, die als Wirkung eines vernichtenden Giftes sowohl Seele wie Körper zerstört, während der religiöse "Rausch" oder Enthusiasmus ein natürliches Phänomen ist, welches das Bewusstseinsleben anregt, um es vorwärts und aufwärts zu einer höheren Moralität, Zivilisation und Kultur zu tragen. Es besteht noch ein weiterer Unterschied zwischen dem alkoholischen und dem religiösen Rausch: während die intelligenzmäßige Analysierungsfähigkeit im ersten Fall beim Geschöpf gar nicht fehlt, sondern nur aufgrund der Wirkungen des Giftes zu einem gewissen Grade gehemmt oder gelähmt ist, existiert sie im letzteren in nur sehr elementarer Form. Dieser religiöse "Rausch" rührt also von einer instinkthaften und gefühlsmäßigen Empfindung der Richtigkeit einer religiösen Behauptung her, ohne dass die betreffenden Gläubigen intelligenzmäßig einen Beweis dafür führen können, da ihre Intelligenzfähigkeit auf den religiösen Gebieten gänzlich unentwickelt ist. Dieses auf den religiösen Gebieten fehlende Intelligenztalent bewirkt somit, dass diese Wesen religiös immer nur von ihrem Instinkt und ihrem Gefühl geleitet werden können.
      Aufgrund der auf den religiösen Gebieten unentwickelten Intelligenzfähigkeit wird in den betreffenden Menschen kein besonders starkes Verlangen nach einer rein verstandesmäßigen Erklärung oder Einsicht auf diesen Gebieten hervorgerufen. Man ist hier daran gewöhnt, dass "Gottes Wege unerforschlich" sind, dass diese nur den "Auserwählten Gottes", "den Propheten", den Religionsstiftern oder "Welterlösern", "offenbart" worden sind und dass die Worte dieser "eingeweihten" Wesen daher als Wahrheit anerkannt werden müssen, als Richtschnur für solche Wesen, die nicht selbst "Offenbarungen" empfangen können. Es ist also zur Gewohnheit geworden, das Zeugnis der "eingeweihten" Wesen ohne intelligenzmäßige Kontrolle hinzunehmen. Ja, diese Gewohnheit ist sogar so stark, dass es innerhalb der religiösen Kreise oder Zusammenschlüsse der betreffenden Wesen geradezu als "sündig" betrachtet wird, sich intelligenzmäßig mit den überphysischen Problemen oder prophetischen Äußerungen zu beschäftigen. Man soll diese vielmehr blind und ohne jeden vernünftigen Einspruch hinnehmen. Eine solche Erkenntnisweise ist der sogenannte "Glaube". Der "Glaube" ist somit in Wirklichkeit bloß eine starke, vertrauensvolle Sympathie für die Erkenntnis eines Problems, deren intelligenzmäßige Einzelheiten oder Beweisführung man bisher noch nicht verstehen kann oder mit der man bisher noch nicht in Berührung gekommen ist. Jedes Wesen, dessen Intelligenztalent auf dem religiösen Gebiet noch nicht besonders entwickelt ist, kann also nicht verstandesmäßig, sondern nur gefühlsmäßig die Erkenntnis der Existenz der überphysischen Erscheinungen hinnehmen. Da die große Mehrzahl der Menschen eben nicht im Besitz dieses religiösen Intelligenztalentes ist und in den vergangenen Jahrhunderten erst recht nicht in diesem Besitz war, ist diese gefühlsmäßige Hinnahme, die ja dasselbe ist wie "der Glaube", als der Weg zur "Erlösung", als der Weg zu Gott und zur Wahrheit gelehrt worden. Der "Glaube" stellt also "die Krücken" dar, auf die sich jedes Wesen innerhalb der Gebiete stützen muss, wo es nicht selbst die Fähigkeit hat, sich "Wissen" zu verschaffen. Und auf dem "Glauben" beruhte bisher aller religiöser Fortschritt und alle Kultur. Daher ist der "Glaube", selbst wenn er, wie oben gesagt, im Prinzip eine gewisse Ähnlichkeit mit dem "Rausch" hat, doch eine wirklich notwendige, göttliche Einrichtung in den ersten schweren Stadien der menschlichen Entwicklungsbahn. Aber er hat seine Begrenzung. Er ist kein "Wissen", keine "Wissenschaft". Er kann die Menschen nur auf dem Stück des Weges in der Entwicklung führen, wo der religiöse Verstand des Menschen noch so primitiv und unentwickelt ist, dass er ihn nicht zwingt, die intelligenzmäßige oder wissenschaftliche Kontrolle über die religiöse Erkenntnis zu fordern, die er instinktiv oder gefühlsmäßig als Ansporn für seine Lebensgrundlage begehrt.


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